Blitzableiter – historische Anfänge in Süddeutschland

Hemmerscher Fünfspitz am Alten Rathaus und an St-Sebastian in Mannheim - Joseph Maximilian Kolb - Stahlstich koloriert um 1840

Vom Blitz getroffen und überlebt

„Durch einen Wetterstrahl selbst betroffen“ –  im heutigen Sprachgebrauch einen Blitzschlag er- und überlebt. Dieses sensationelle Erlebnis veranlasste einen anonymen Poeten aus Bruchsal dazu, Mitte des 18. Jahrhunderts einen mehrseitigen Bericht darüber zu schreiben. Dass damals Blitze noch als von Gott gesandt galten, belegt der Titel: Gottes wundervolle Gnadenspuren und heilige Vorsehung bei entstehenden Donnerwettern. Entdeckt hat den Druck Thomas Adam, Kulturamtsleiter der Stadt Bruchsal, in der dortigen Historischen Bibliothek.

Als sei Pulver, Schwefel und Blei durch den ganzen Leib gelaufen

In der betreffenden „poetischen Geschichtserzählung“ erzählt ihr Autor davon, was sich am 25. Juli 1748 des Nachts in der Residenzstadt Bruchsal Merkwürdiges zutrug. Während er trotz eines Gewitters im oberen Stock eines Gasthauses am Fenster stand, traf ihn plötzlich ein Blitz. Er fühlte sich, als sei ihm „Pulver, Schwefel und Blei fast durch den ganzen Leib gelaufen“. Der herbeigerufene fürstbischöfliche Leibarzt fand Versengungen, Brandflecken und rote Striemen auf seiner Haut sowie Risse in Kleidungsstücken.

Der Verletzte hatte großes Glück. Er gehörte zu jener glücklichen Hälfte aller Betroffenen, so Adam, die einen Blitzschlag überleben. Und mehr noch: Mit seiner außergewöhnlichen Geschichte sei der wieder Genesene zum Tagesgespräch geworden. Der Ort des Geschehens zog Schaulustige an. „O was für eine Volksmenge war in und vor dem Haus zu sehen, wo dieser schwere Wetterschlag mit solchem Donnerknall geschehen!“ Mit diesem Reim beschreibt der unbekannte Autor das nachträgliche Theater um ihn.

Dem Prinzip des Blitzableiters auf der Spur

Historisch bedeutsamer ist seine Feststellung, dass der Blitz offenbar durch einen dünnen Metalldraht unter dem Verputz des Gasthauses entlanggelaufen war. Dabei habe der Blitz den Draht „verzehrt, verbrannt und insgesamt mit seinem Feuer weggenommen“. Und zwar, ohne andere Teile des Gebälks oder Mauerwerks zu beschädigen. Insgeheim entdeckte der anonyme Bruchsaler somit das Prinzip des Blitzableiters vor Benjamin Franklin, der nicht nur ein Gründungsvater der Vereinigten Staaten von Amerika war, sondern auch gemeinhin als Erfinder des Blitzableiters gilt.

Zu jener Zeit beschäftigte er sich in Boston mit Stromflüssen und Entladungen bei Blitzschlägen. Durch sein Drachenexperiment im Juni 1752 kam Franklin dem Prinzip des Blitzableiters auf die Spur. Allerdings, wie es der Zufall so wollte, erst vier Jahre nach der ungewollten Selbsterfahrung jenes anonymen Bruchsalers. Überhaupt konnte sich der Feuerschutz durch Blitzableiter im deutschen Südwesten früh durchsetzen, so Thomas Adam, von dem das Sachbuch „Feuer, Fluten, Hagelwetter – Naturkatastrophen in Baden-Württemberg“ stammt. Obwohl die gottesfürchtige Landbevölkerung skeptisch blieb. Zogen diese Metallstangen am Ende nicht sogar den Blitz an und lenkten ihn erst recht auf umliegende Gebäude?

Erste Blitzableiter im kurfürstlichen Mannheim

Vorreiter in Sachen Blitzableiter spielte der Hof des Kurfürsten Karl Theodor in Mannheim. Dieser beauftragte Johann Jakob Hemmer, Leiter des dortigen Physikalischen Kabinetts, einen „Wetterleiter“ zu entwickeln. Den sogenannten Hemmerschen Fünfspitz ließ der Kurfürst im Jahr 1776 per Dekret auf allen Schlössern und Pulvertürmen des Landes anbringen. Später erhielten auch andere öffentliche Gebäude auf ihren Dächern jene Blitzableiter mit fünf Spitzen, wie zeitgenössische Bilder vom Alten Rathaus und der Kirche St. Sebastian in Mannheim zeigen (siehe Beitragsbild). 

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Beschreibung: Hemmerscher Fünfspitz am Alten Rathaus und an St-Sebastian in Mannheim (Stahlstich koloriert um 1840 von Joseph Maximilian Kolb)

Dieser Beitrag von mir erschien in ähnlicher Form erstmals im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg am 20. August 2021 auf Seite 27 unter „Landeskundliche Momente“.

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Blümerant … was bedeutet das eigentlich?

Wilhelm Raabe 1888

So wie das Wort saumselig aus der Reihe „Was bedeutet das eigentlich?“ nicht auf einen vermeintlich seligen Hosensaum zurückgeht, hat auch blümerant nichts mit Blümchen oder Glücksgefühlen zu tun. Ganz im Gegenteil: Wenn uns blümerant zumute ist, fühlen wir uns übel, vielleicht gar schwindelig mit einem flauen Gefühl im Magen.

Der Begriff leitet sich von den französischen Worten bleu und mourant ab. Zusammen ergeben sie ein „sterbendes Blau“, was inneres Unwohlsein treffend in Farbe fasst. Erinnert es doch an die blass bläuliche Gesichtsfärbung, bevor jemand in Ohnmacht fällt. Bereits im 17. Jahrhundert wurde bleumourant zu blömerant oder blümerandt eingedeutscht, was später zu blümerant führte.

„Mir ganz blümerant zumute wird“

Wilhelm Raabe (Fabian und Sebastian, 1882)

„Apropos die Elefanten […] Nun sollen sie bei euch […] auch in die Gärten kommen, und dabei muß ich mir doch sagen, daß mir ganz blümerant zumute wird, wenn ich mir das hier […] denke“.  Das Zitat stammt aus der Erzählung „Fabian und Sebastian“ (1882) von Wilhelm Raabe, der acht Jahre in Stuttgart – möglicher Ort der Handlung – lebte. Es ist an die jugendliche Waise Konstanze aus der Kolonie Niederländisch-Indien gerichtet, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach Deutschland kam.

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Wilhelm Raabe 1888

Dieser Beitrag von mir erschien in ähnlicher Form erstmals im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg am 20. August 2021 auf Seite 27 unter „Landeskundliche Momente“.

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Es begann vor 100 Jahren in Wüstenrot

Bausparmuseum Bilder-Collage

Historische Anfänge des Bausparens in Deutschland

„Und da ist nun die Wohnnot […] Wir müssen heraus aus der vernichtenden Atmosphäre der Großstadt, müssen den Einzelnen frei machen aus sklavischen Mietverhältnissen […], dass er ein Stück eigenen Bodens unter den Füßen und ein Dach über dem Haupt hat.“

Georg Kropp („Aus Armut zum Wohlstand“, 1920)
„Es begann vor 100 Jahren in Wüstenrot“ weiterlesen

Saumselig … was bedeutet das eigentlich?

Knigges Umgang mit Menschen 1788

Es gibt viele Gründe, sich zu verspäten. Einer ist, sich zu verfranzen (siehe voriger Beitrag „was bedeutet das eigentlich?“), weil das Navigationsgerät oder die eigene Kartenlese-Kunst versagte. Ein anderer Grund mag unsere saumselige Natur sein, weil wir gerne bummeln und vor uns hin trödeln. Wer hat deshalb nicht schon das ein oder andere Mal einen Termin versäumt?

„Saumselig … was bedeutet das eigentlich?“ weiterlesen

Verfranzen … was bedeutet das eigentlich?

AGO-Wasserflugzeug 1915-1918

Vom Klang her erinnert verfranzen an Firlefanz, der zuletzt vorgestellte Begriff unter „was bedeutet das eigentlich?“ Allerdings hat verfranzen eine andere Bedeutung und die interessantere Frage hier ist, woher der Ausdruck kommt. Er scheint auf den ersten Blick etymologisch mit dem Wort französisch verwandt zu sein. Das aber stimmt hier nicht.

„Verfranzen … was bedeutet das eigentlich?“ weiterlesen

Archäologische Wanderausstellung „Verknüpft und zugenäht!“

Wanderausstellung "Verknüpft und zugenäht"

Hightech-Textilien aus der Steinzeit

Atmungsaktiv, reißfest, thermoregulierend, wasserabweisend … alles bekannte technische Eigenschaften heutiger Chemiefasern, aus denen Funktionskleidung und Taschen bestehen. Archäologische Funde in der Ausstellung „Verknüpft und zugenäht!“ aber belegen: Schon unsere Vorfahren vor 6000 Jahren stellten textile Objekte aus Naturfasern her, die wasserdicht und strapazierfähig waren.  

„Archäologische Wanderausstellung „Verknüpft und zugenäht!““ weiterlesen