Es begann vor 100 Jahren in Wüstenrot

Historische Anfänge des Bausparens in Deutschland

„Und da ist nun die Wohnnot […] Wir müssen heraus aus der vernichtenden Atmosphäre der Großstadt, müssen den Einzelnen frei machen aus sklavischen Mietverhältnissen […], dass er ein Stück eigenen Bodens unter den Füßen und ein Dach über dem Haupt hat.“

Georg Kropp („Aus Armut zum Wohlstand“, 1920)

Diese einleitenden, flammenden Worte, die manchen Wohnungssuchenden von heute vielleicht selbst schon einmal in den Sinn kamen, sind 100 Jahre alt und stammen von Georg Kropp. Der sozial engagierte Publizist und Laienprediger gründete 1921 den Verein „Gemeinschaft der Freunde“, aus dem drei Jahre später die älteste bestehende Bausparkasse Deutschlands hervorging.

Kropps ehemaliges Wohnhaus im kleinen Ort Wüstenrot, der knapp zwanzig Kilometer östlich von Heilbronn liegt, beherbergt heute das Bauspar-Museum. Einige seiner Exponate und historischen Zeitzeugen sind auf dem Beitragsbild oben zu sehen. Sie lassen die damaligen Ereignisse im Vorfeld der Vereinsgründung lebendig werden:

Am 15. Januar 1921 erscheinen im alten Rathaus zu Wüstenrot zwei Frauen begleitet von ihren Gatten, um einen historisch bedeutsamen Vertrag abzuschließen. Elise, Frau des Schuhmachers Hermann Weber, verkauft ihre Haushälfte in der Haller Straße für 14.000 Mark an die Heilbronner Schriftsteller-Gattin Pauline Kropp. Beide Ehemänner unterzeichnen die Transaktion mit und bezeugen damit formell ihre Zustimmung, da Frauen seinerzeit noch nicht voll verfügungsberechtigt sind. 

Wie aus dem Kaufvertrag auf dem Beitragsbild oben links hervorgeht, stammt das Geld von Pauline Kropp. Sie war somit rechtmäßige Besitzerin der Immobilie und ermöglichte ihrem Gatten dadurch, seine beruflichen Pläne zu verwirklichen.

Bausparkasse Wüstenrot machte ihren Geburtsort berühmt

Aus der damaligen Transaktion und einem familiären Betrieb entwickelte sich Deutschlands führende Bausparkasse, die nebenbei die namengebende Gemeinde Wüstenrot europaweit bekannt machte. Von der kleinen Stube des ehemaligen Bauernhauses aus baute Paulines Gatte Georg, ein gebürtiger Pommer, seine Gemeinschaft der Freunde auf.

Sie setzten sich das gemeinnützige Vereinsziel, breiten Bevölkerungsschichten durch kollektives Zwecksparen ein Eigenheim zu ermöglichen. Den Grundgedanken dafür hatte Kropp zuvor in seiner 1920 veröffentlichten Schrift „Aus Armut zum Wohlstand“ formuliert. Daraus stammt das eingangs genannte Zitat.

Eine Art frühes „Crowdfunding“

Die Idee des Eigenheim-orientierten Zwecksparens, eine Art frühes „Crowdfunding“, fand schnell Anklang. Zahlreiche Bausparverträge wurden abgeschlossen. Da nun mehrere Leute auf ein Eigenheim ansparten, konnte bald das erste Baugeld zugeteilt werden. Wie von der Bausparkasse Wüstenrot verlautet, gab es 10.000 Mark für ein Bausparerhaus in Heidenheim an der Brenz, das heute noch steht. Nach dem berühmt gewordenen Motto: „Jeder Familie ein Eigenheim“.

Mit sechs Mitarbeitern hatte die Gemeinschaft der Freunde im Jahr 1921 begonnen, als in Deutschland noch die Hyperinflation herrschte und an sinnvolles Sparen nicht zu denken war. Nach erfolgreicher Währungsreform und Inflationsende gründete sich dann 1924 innerhalb des Vereins die Bausparkasse Gemeinschaft der Freunde. Bereits zwei Jahre später hatte sich die Belegschaft auf das Fünfzigfache erweitert.

Für den Gründungsort Wüstenrot ein Problem, denn die damalige 500-Seelen-Gemeinde genügte nicht mehr den Bedürfnissen eines florierenden Unternehmens, wie es auf Seiten der Gemeinde Wüstenrot rückblickend heißt. Somit wechselte die Belegschaft in den Folgejahren nach Ludwigsburg über, wo sie in ein modernes, großzügiges Verwaltungsgebäude einzog.

Sitz von Wüstenrot nach Ludwigsburg verlegt

Einen großen Schub erlebte die Idee des kollektiven Sparens in den Aufbaujahren nach dem Zweiten Weltkrieg. 1999 schloss sich die Wüstenrot Bausparkasse dann mit der Württembergischen Versicherung zum Wüstenrot & Württembergische Konzern zusammen. Heutiger Sitz der Wüstenrot Bausparkasse AG ist Ludwigsburg, nachdem er 1930 gegen Kropps Willen dorthin verlegt worden war.

Der Gründervater trat daraufhin von seinen Ämtern zurück. Kropp blieb in Wüstenrot, wo er 1943 hoch angesehen mit 77 Jahren starb. Für seine Verdienste hatte ihn das Dorf bereits 1930 mit der Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet.

Bild
Beschreibung: Collage aus Screenshots von der Homepage des Bauspar-Museums in Wüstenrot
Quelle: Bauspar-Museum

Dieser Beitrag von mir erschien in ähnlicher Form erstmals im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg am 09. Juli 2021 auf Seite 14 unter „Landeskundliche Momente“.

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