Blitzableiter – historische Anfänge in Süddeutschland

Vom Blitz getroffen und überlebt

„Durch einen Wetterstrahl selbst betroffen“ –  im heutigen Sprachgebrauch einen Blitzschlag er- und überlebt. Dieses sensationelle Erlebnis veranlasste einen anonymen Poeten aus Bruchsal dazu, Mitte des 18. Jahrhunderts einen mehrseitigen Bericht darüber zu schreiben. Dass damals Blitze noch als von Gott gesandt galten, belegt der Titel: Gottes wundervolle Gnadenspuren und heilige Vorsehung bei entstehenden Donnerwettern.

Als sei Pulver, Schwefel und Blei durch den ganzen Leib gelaufen

Entdeckt hat den Druck Thomas Adam, Kulturamtsleiter der Stadt Bruchsal, in der dortigen Historischen Bibliothek. In der betreffenden „poetischen Geschichtserzählung“ erzählt ihr Autor davon, was sich am 25. Juli 1748 des Nachts in der Residenzstadt Bruchsal Merkwürdiges zutrug. Während er trotz eines Gewitters im oberen Stock eines Gasthauses am Fenster stand, traf ihn plötzlich ein Blitz. Er fühlte sich, als sei ihm „Pulver, Schwefel und Blei fast durch den ganzen Leib gelaufen“. Der herbeigerufene fürstbischöfliche Leibarzt fand Versengungen, Brandflecken und rote Striemen auf seiner Haut sowie Risse in Kleidungsstücken.

Der Verletzte hatte großes Glück. Er gehörte zu jener glücklichen Hälfte aller Betroffenen, so Adam, die einen Blitzschlag überleben. Und mehr noch: Mit seiner außergewöhnlichen Geschichte sei der wieder Genesene zum Tagesgespräch geworden. Der Ort des Geschehens zog Schaulustige an. „O was für eine Volksmenge war in und vor dem Haus zu sehen, wo dieser schwere Wetterschlag mit solchem Donnerknall geschehen!“ Mit diesem Reim beschreibt der unbekannte Autor das nachträgliche Theater um ihn.

Dem Prinzip des Blitzableiters auf der Spur

Historisch bedeutsamer ist seine Feststellung, dass der Blitz offenbar durch einen dünnen Metalldraht unter dem Verputz des Gasthauses entlanggelaufen war. Dabei habe der Blitz den Draht „verzehrt, verbrannt und insgesamt mit seinem Feuer weggenommen“. Und zwar, ohne andere Teile des Gebälks oder Mauerwerks zu beschädigen. Insgeheim entdeckte der anonyme Bruchsaler somit das Prinzip des Blitzableiters vor Benjamin Franklin, der nicht nur ein Gründungsvater der Vereinigten Staaten von Amerika war, sondern auch gemeinhin als Erfinder des Blitzableiters gilt.

Zu jener Zeit beschäftigte er sich in Boston mit Stromflüssen und Entladungen bei Blitzschlägen. Durch sein Drachenexperiment im Juni 1752 kam Franklin dem Prinzip des Blitzableiters auf die Spur. Allerdings, wie es der Zufall so wollte, erst vier Jahre nach der ungewollten Selbsterfahrung jenes anonymen Bruchsalers. Überhaupt konnte sich der Feuerschutz durch Blitzableiter im deutschen Südwesten früh durchsetzen, so Thomas Adam, von dem das Sachbuch „Feuer, Fluten, Hagelwetter – Naturkatastrophen in Baden-Württemberg“ stammt. Obwohl die gottesfürchtige Landbevölkerung skeptisch blieb. Zogen diese Metallstangen am Ende nicht sogar den Blitz an und lenkten ihn erst recht auf umliegende Gebäude?

Erste Blitzableiter im kurfürstlichen Mannheim

Vorreiter in Sachen Blitzableiter spielte der Hof des Kurfürsten Karl Theodor in Mannheim. Dieser beauftragte Johann Jakob Hemmer, Leiter des dortigen Physikalischen Kabinetts, einen „Wetterleiter“ zu entwickeln. Den sogenannten Hemmerschen Fünfspitz ließ der Kurfürst im Jahr 1776 per Dekret auf allen Schlössern und Pulvertürmen des Landes anbringen. Später erhielten auch andere öffentliche Gebäude auf ihren Dächern jene Blitzableiter mit fünf Spitzen, wie zeitgenössische Bilder vom Alten Rathaus und der Kirche St. Sebastian in Mannheim zeigen (siehe Beitragsbild). 

Bild
Beschreibung: Hemmerscher Fünfspitz am Alten Rathaus und an St-Sebastian in Mannheim (Stahlstich koloriert um 1840 von Joseph Maximilian Kolb)

Dieser Beitrag von mir erschien in ähnlicher Form erstmals im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg am 20. August 2021 auf Seite 27 unter „Landeskundliche Momente“.

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